02.11.2025, 15.00 Uhr · Kulturzentrum mon ami · Podium & Erzählcafé

Republikflucht & Ausbürgerung: Deutsch-deutsche Migration

(Przepraszamy, ta treść jest dostępna tylko w języku niemieckim.)

Flucht, Ausreise oder Freikauf politischer Häftlinge: Es gab verschiedene Wege aus der DDR in den »Westen«. Zwischen Mauerbau und der Grenzöffnung 1989 verließen noch ca. 600.000 Menschen die DDR in Richtung BRD. Für viele von ihnen war die erste Station das Notaufnahmelager Gießen. Denn von zunächst drei dieser Einrichtungen blieb nach 1961 nur noch der Standort Gießen in vollem Umfang erhalten. Von dort wurden die ausgereisten DDR-Bürger auf die westlichen Bundesländer verteilt, wo ihr neues Leben beginnen sollte. Welchen Hürden und Schwierigkeiten begegneten sie dabei? Was erleichterte ihnen das Ankommen in Marktwirtschaft, Demokratie und einem gänzlich neuen Umfeld?

Lange Zeit wurde diesem Teil der deutsch-deutschen Migrationsgeschichte wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Menschen, die aus der DDR in den Westen kamen, hatten sich meist gut integriert. Andere wiederum, die mehr Schwierigkeiten damit hatten, eine neue Heimat zu finden, kehrten nach der deutschen Vereinigung in ihre alte zurück – viele von ihnen auch schon davor. In den alten Bundesländern und westdeutschen Städten gab es daher wenig Sichtbarkeit für das Thema, trotz der sehr großen Zahl an Betroffenen. Das ändert sich seit einiger Zeit. Wir schauen exemplarisch nach Hamburg, wo die Geschichte und die Lebenswege der dort angekommenen DDR-Bürger in verschiedenen Projekten aufgearbeitet und sichtbar gemacht werden. In Gießen wiederum eröffnete in diesem Jahr ein eigens eingerichteter Lern- und Erinnerungsort für das ehemalige Notaufnahmelager.

Auf der Podiumsveranstaltung werden wir über die Heimatsuche der Ausgereisten und die heutige Erinnerung daran sprechen. Anschließend findet ein eigenes Erzählcafé für einen ausführlichen Austausch statt. Wir haben Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Gast, die von ihren eigenen Lebenswegen und ihren Erfahrungen zwischen »Fremde (und) Heimat« in Ost- und Westdeutschland berichten. Und wir laden auch Sie herzlich ein, Ihre eigenen Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen, oder Ihre Geschichten aus Familie, Freundes- oder Bekanntenkreis.


15:00 Uhr: Podiumsdiskussion:

Gäste:

  • PD Dr. Florian Greiner ist Geschäftsführer des Lern- und Erinnerungsortes Notaufnahmelager Gießen, dessen Dauerausstellung in diesem Sommer eröffnet wurde. Initiiert und umgesetzt wurde das Vorhaben durch das Land Hessen und die dortige Landeszentrale für politische Bildung.
  • Theresa Hertrich, M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Public History an der Universität Hamburg und hat dort im Projekt »Orte der (Un-)Sichtbarkeit« einen Audiowalk, eine Ausstellung und verschiedene partizipative Formate zu den Spuren der DDR-Auswanderung nach Hamburg konzipiert.
  • N.N. (Zeitzeugin)

Moderation:

  • Dr. Nora Hilgert ist Historikerin und Fachreferentin bei den Mühlhäuser Museen. Als Beiratsmitglied und Leiterin des Festivals 2022 ist sie dem Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte von Beginn an eng verbunden.

17:00 Uhr: Erzählcafé:

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen:

  • Martina Paetzold (Jg. 1968) wuchs in Halberstadt auf und wurde während der Schulzeit begeisterte Leichtathletin. Als Fackelträgerin eröffnete sie 1981 die XVII. Kinder- und Jugendspartakiade in Halberstadt. Nach einem Informatikstudium in Görlitz beschloss sie 1989, mit ihrem Freund die DDR zu verlassen. Beide fürchteten eine komplette Abschottung des Landes und versprach sich in der Bundesrepublik bessere Berufschancen. An verschiedenen Stationen in Hessen machte sie das Fachabitur nach, studierte Finanzwirtschaft und wurde Steuerberaterin.
  • Henry Bäz (Jg. 1959) aus Lauscha in Thüringen begeisterte sich als Jugendlicher für westliche Rockmusik. Jugendweihe und FDJ sind für ihn und seine Mitschüler aber selbstverständlich. Als er 1976 eine Lehre zum Glasapparatebläser beginnt, denkt er nicht daran, ein Jahr später die Bars der Hamburger Reeperbahn zu erkunden. Es ist eine sehr spontane Flucht im Sommer 1977 auf dem »Seeweg« nach Schleswig-Holstein. Für Henry Bäz begann nun eine wechselvolle Zeit: Er lebte in Balingen, Konstanz und Speyer, schloss sich Anfang der 1980er einer Hippie-Kommune in West-Berlin an und fand später seinen Traumjob als LKW-Fahrer.
  • Uwe Kaspereit (Jg. 1958) ist in Mecklenburg geboren und stellte 1977 seinen ersten Ausreiseantrag. Nach Protesten gegen dessen Ablehnung kam er ins Visier des MfS und wegen politischer Vergehen in Haft. 1981 wurde er durch die Bundesrepublik »freigekauft«. Seit 1988 ist er in Hamburg Inhaber eines Eisen- und Haushaltswarenladens, in dem er zuvor als Verkäufer gearbeitet hatte.

Moderation:

  • Dr. Agnès Arp ist Co-Leiterin der Oral History Forschungsstelle der Universität Erfurt und betreut regelmäßig Erzählcafés zu zeitgeschichtlichen Themen und andere Formate des Austauschs mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.
  • Dr. Mark Schiefer ist wissenschaftlich-pädagogischer Mitarbeiter im Lern- und Erinnerungsort Notaufnahmelager Gießen und war Ausstellungsredakteur im Aufbauprozess der Gedenkstätte.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Lern- und Erinnerungsort Notaufnahmelager Gießen, dem Arbeitsbereich Public History an der Universität Hamburg und der Oral History Forschungsstelle an der Universität Erfurt.