05.10.2022
»Nichts ist so unsichtbar wie ein Denkmal [von Ernst Thälmann]« – 2.0
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Von Dr. Christian Faludi (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Forschungsstelle Weimarer Republik)
Unter den Denkmälern Weimars nimmt das Ernst Thälmann gewidmete einen optisch prominenten Platz ein, wurde es doch an der Carl-August-Allee errichtet, und springt damit jedem ins Auge, der vom Bahnhof kommend ins Stadtzentrum läuft. Im staatssozialistischen Ostdeutschland Fokuspunkt ideologisch aufgeladener Gedenkveranstaltungen, trat das Denkmal in den Jahren nach 1990 in seiner Bedeutung zunehmend zurück. Wohl wurde es weiterhin in das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus einbezogen, doch für viele Besucher der Stadt, die vom Bahnhof kommend vorbeigingen, wie auch für nicht wenige jüngere Weimarer war es kaum noch sinnstiftend oder wurde auch nur explizit wahrgenommen und in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden.
Die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte (GEDG) und der Weimarer Republik e. V. nahmen dies und das Helden-Motto des Rendez-vous mit der Geschichte zum Anlass für eine Kunstintervention – die Verhüllung des Denkmals vom 12. bis 15. November 2021 mittels eines Tuches. Ziel war es, durch die zeitweise »Sichtbarmachung durch Verschwinden« Thälmanns eine öffentliche Diskussion darüber anzustoßen, wie mit dem Ensemble aus DDR-Zeiten heute angemessen umgegangen werden kann. Dabei ging es keineswegs um Denkmalstürmerei, sondern vielmehr um notwendige Erläuterungen zur Biografie Ernst Thälmanns und zur Geschichte der Anlage. Die Aktion fand in den sozialen Medien, zum Teil auch in der Presse rasch Aufmerksamkeit, die von Zustimmung, aber auch sachlich formulierten Bedenken bis hin zu wütenden Protesten angesichts einer imaginierten Abrissabsicht reichten.
In einer öffentlichen Veranstaltung am 14. November 2022 diskutierten der Historiker und Mit-Kurator der Aktion, Christian Faludi (GEDG), der Publizist Armin Fuhrer sowie Rikola-Gunnar Lüttgenau (Gedenkstätte Buchenwald) mit dem Moderator Sergej Lochthofen im Rahmen des Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte, wie unsere demokratische Gesellschaft mit der Geschichte des Ortes und einem Denkmal, das »aus der Zeit gefallen« ist, umgehen kann. Auf diese Frage konnte eine anderthalbstündige Veranstaltung keine abschließende Antwort geben, wohl aber erste Impulse und Anregungen – und sie konnte einem Dialog mit der Zivilgesellschaft den Weg bereiten: Allen Anwesenden erschien es sinnvoll, dem Denkmal künftig eine erläuternde Tafel beizugeben. Zu diesem Zweck wurde vereinbart, eine Kooperation zwischen den Initiatoren aus der GEDG und dem Weimarer Republik e. V. mit der Gedenkstätte Buchenwald und der Stadt Weimar zu bilden, die sich der Umsetzung annehmen sollte. Überdies wurde beschlossen, eine wissenschaftliche Publikation zur Geschichte des Platzes anzufertigen, welche auch die jüngsten Kontroversen sowie den am Ergebnis orientierten erinnerungskulturellen Prozess dokumentiert.
Über den Jahreswechsel konkretisierten sich die Vorhaben insoweit, dass die notwendigen Voraussetzungen zur Errichtung der Tafel und Herstellung des Buches geschaffen werden konnten. Am 11. September 2022, dem Tag des offenen Denkmals, kam es nunmehr zu einer Platzbegehung der Institutionen. Neben der Erkundung eines möglichen Standortes wurden die Beteiligten öffentlich dazu aufrufen, Vorschläge und Anregungen zur inhaltlichen Gestaltung sowie Bildmaterial für die Tafel einzureichen. Auf dieser Grundlage entstehen im Anschluss mehrere Varianten, die im Zuge des diesjährigen Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte am 31. Oktober 2022 öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Auf dem Podium dabei sein werden Prof. Dr. Hans Rudolf Meier (Bauhaus-Universität), Dr. Christian Faludi (GEDG) und Rikola-Gunnar Lüttgenau (Gedenkstätte Buchenwald).
»Nichts ist so unsichtbar wie ein Denkmal [von Ernst Thälmann]« ist ein Projekt der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte und des Weimarer Republik e. V., in Kooperation mit der Stadt Weimar, der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie dem DFG-Graduiertenkolleg »Identität und Erbe« an der Bauhaus-Universität Weimar.
Das Thälmann-Denkmal erklären? Besuchen Sie unsere Veranstaltung am 31.10.2022, um 18.00 Uhr in der Notenbank Weimar:
Ernst Thälmann: Arbeiterführer! Anti-Faschist! Anti-Demokrat? Das Thälmann-Denkmal erklären