28.03.2022

Heute nur Jazz – Interview mit Franka Günther

»Rhythmus« – Jazz im Konzentrationslager Buchenwald heißt unsere erste Veranstaltung 2022. Tatsächlich hat Franka Günther die unglaubliche Geschichte eines Jazz-Orchesters im KZ ausgegraben und sich, von der Fasziniation gepackt, Wissen darüber angeeignet. In dem Konzert am 11.4.22 wird der Biografie der Musiker nachgegangen – begleitet vom Originalsound. Alle Informationen zur Veranstaltung hier…

Wie bist du auf das Thema gekommen?
2018 bin ich auf das Jazz-Orchester von Buchenwald aufmerksam geworden, und zwar durch einen Text von Jiří Žák, einem tschechischen Häftling, der vermutlich der Gründer des Orchesters war. Ich habe den Text gelesen und gedacht – kann nicht sein! Ein JAZZ-Orchester in Buchenwald??!! Obwohl ich mich seit 30 Jahren immer wieder mit der Geschichte des Konzentrationslagers beschäftige, hatte ich noch nie von diesem Orchester gehört. Das Gelesene hat mich angeregt, weitere Informationen darüber zu suchen. Was gar nicht so einfach war: Ich habe schnell festgestellt, dass die Existenz dieses Orchesters zwar bekannt war, dass es aber kaum Informationen zu den einzelnen Musikern gab. Seitdem treibt es mich um, die Mitwirkenden des Jazz-Orchesters sichtbar zu machen und ihnen eine Biografie zu geben.

Spannend! Wie bist du vorgegangen, welche Quellen gab es?
Neben den Archiven in der Gedenkstätte Buchenwald und in Arolsen sind unsere Quellen viele internationale Archive sowie Familienangehörige über den ganzen Globus verteilt. Ein Orchestermitglied lebt noch in den USA. Aus den Quellen wussten wir, dass dieses Orchester seit 1943 im Lager bestand und wie es damals überhaupt möglich war, die Musiker zu finden, ihnen Instrumente zu besorgen und wie sie proben und Konzerte geben konnten. Für diese Konzerte gibt es zwei Programmzettel und aus Berichten von ehemaligen Häftlingen wussten wir etwas über das Repertoire. Unter anderem auf dem Programm vom 19.4.1945 stehen auch Namen und Besetzung — aber manche davon sind nur Vor- oder Spitznamen. Wir konnten jedoch rekonstruieren, dass es bis zu 22 Musiker gab, die aus 9 Ländern kamen. 

Die Recherche zu dem Orchester erfolgte in mehreren Ländern und Sprachen und war extrem aufwändig – was hat dich angetrieben?
Einfach Faszination: Wie kann es sein, dass im KZ Musik gespielt wurde, die in Deutschland außerhalb des Stacheldrahtes verboten war? Das ist eines der Phänomene des KZ Buchenwald, dass es durch die starke illegale und internationale Organisation der Häftlinge gelungen ist, Kulturveranstaltungen zu ermöglichen, die vielen hundert Mithäftlingen Mut machten. Unglaublich, dass das funktioniert hat.
Es berührt mich, wie moralisch stark die Musiker waren, sich einfach nicht unterkriegen zu lassen. Bewegend ist auch die Erkenntnis, was die Musik für eine aufbauende Wirkung hatte, weil sie die KZ-Insassen für einen kurzen Moment von ihrem Alltag ablenkte.
Einer der Musiker schrieb: Jazz: das ist die Kunst der Begeisterung, die die Massen und eine freundschaftliche Atmosphäre braucht. Wie haben sie es geschafft, diese freundschaftliche Atmosphäre unter den gegebenen Umständen herzustellen ?
Die Recherchen in den tschechischen und amerikanischen Archiven wurden übrigens von Marketa Kroupova durchgeführt, mit der ich gemeinsam am 11.4.22 das Ergebnis vorstellen werde.

Mit dem Konzertabend willst du Schicksale in Buchenwald davor und danach sichtbar machen…
… Von drei Musikern haben wir leider entweder nur einen Vornamen oder einen Spitznamen, von zwei anderen konnten wir gar keine Spur mehr finden. Aber hier könnten spätere Forschungen ansetzen.
Von einigen Musikern haben wir Angehörige gefunden, die uns bei der Zusammenstellung der Biografien geholfen haben und denen wir Informationen zu ihren Vätern geben konnten, die für sie neu waren. So konnte ich den Kontakt herstellen zur Tochter des belgischen Schlagzeugers und zum Sohn eines französischen Saxophonisten, der mit Hilfe der illegalen internationalen Lagerorganisation der Häftlinge im Januar 1945 aus einem Außenlager zurück nach Buchenwald geholt wurde, um 3 Tage später in einem Konzert des Jazzorchesters mitzuspielen. Von diesem Häftling haben wir ein Tagebuch und von einem anderen eine Beschreibung des Konzertes vom 14.1.1945. Dem Sohn des Saxophonisten konnte ich von dem Tagebuch berichten, was für ihn völlig neu war und ihn dazu bewegte, nun eine Reise nach Weimar zu planen. Das originale Saxophon seines Vaters existiert noch und vielleicht kann er es uns mitbringen. Was für eine Geschichte – nach 77 Jahren !

À Propos Konzert – Wie kam es zu der Kooperation mit der Hochschule für Musik Weimar?
Es war mir sehr wichtig, dass junge Menschen sich mit dem Thema beschäftigen, daher fragte ich bei der Hochschule an und nicht etwa bei einer professionellen Big Band. Es liegt mir daran, dieses Wissen um Buchenwald zu verbreiten, so dass junge Menschen sich mit dem Thema beschäftigen.

Wie gehen die Studierenden mit dem Thema um?

Ich weiß, dass im Vorfeld der Proben die Themen Holocaust, Deportation und die Bedeutung von Kunst besprochen wurden. Ich glaube, die Herausforderung für die Studierenden bestand zudem insbesondere darin, dass wir am Anfang fast nichts hatten: Es gibt keine Noten von dem Orchester. Leider, denn die Arrangements wurden alle selbst geschrieben und zwar je nach Verfügbarkeit von Musikern und Instrumenten. Aber leider ist das ganze Notenmaterial offenbar nach der Befreiung verloren gegangen. Wir hatten nur die Programme mit den Titeln und die Studierenden mussten sich überlegen, wie sie das arrangieren.

Danke, liebe Franka! Ein tolles Konzert wünsche ich euch!

Das Konzert findet statt am 11.04.2022 um 19:00 Uhr in der Notenbank. Der Eintritt ist frei.