04.11.2023, 10.00 Uhr · Notenbank Weimar · Podium
Wie lange noch? Langeweile und Warten als Phänomene der Moderne (1850–1950)
In der Hektik des heutigen Alltags setzt man verstärkt auf Entschleunigung als bewusst herbeigeführten Prozess der Verlangsamung: gezielt nimmt man sich während der Arbeit eine Pause oder im Urlaub eine Auszeit. Darüber gerät schnell in Vergessenheit, dass Menschen oftmals gegen ihren Willen (scheinbar) unproduktivem Nichtstun oder zermürbend empfundener Langeweile ausgesetzt sind – man denke nur an das Leben in Flüchtlingslagern oder den Zustand von Dauerarbeitslosigkeit. Solche modernen Formen des zeitlichen Stillstands bildeten sich seit dem 19. Jahrhundert heraus: in den Wartesälen der Bahnhöfe, in den um 1900 errichteten Auswandererhallen großer Hafenstädte, in den Arbeitslosenschlangen während der Weltwirtschaftskrise oder den Warteschlangen vor Lebensmittelgeschäften in der Nachkriegszeit, aber auch in den Räumen bürgerlicher Häuslichkeit. Je nach Geschlecht, sozialer Lage oder ethnischer Herkunft waren die Menschen von diesen Phänomenen auf sehr unterschiedliche Weise betroffen.
Es stellt sich daher die Frage, wie Männer und Frauen, Minderheiten, Arme und Wohlhabende diese Zustände des Wartens und der erzwungenen Muße empfanden, wie sie damit umgingen. Welche sozialen und politischen Auswirkungen hatten diese Phänomene und können wir diese auch in unserer Gegenwart und in unserem Alltag entdecken? Darüber diskutieren mit Ihnen:
- Prof. Dr. Martina Kessel, die moderne Geschichte und Geschlechtergeschichte an der Universität Bielefeld lehrt.
- Dr. Robin Kellermann, der am Nexus Institut Berlin arbeitet und zur Bau- und Kulturgeschichte des Wartens auf Eisenbahnen promoviert hat.
Moderation:
Prof. Dr. Armin Owzar, Universität Sorbonne Nouvelle – Paris 3